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Internet Governance Forum Deutschland 2023
Das Internet Governance Forum Deutschland (IGF-D) fand vergangene Woche im Konrad-Adenauer-Saal des Auswärtigen Amtes statt und bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, Digitalpolitik in all ihren Facetten live zu erleben. Über 40 Personen nahmen persönlich teil, während weitere online zugeschaltet waren. Organisiert wurde das IGF-D von der Denic unter Federführung von Peter Koch und Sabrina Heber.
In den unterschiedlichen Formaten wurden verschiedene Themen rund um Digitalpolitik, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit und digitale Nachhaltigkeit diskutiert mit dem Ziel, nationale Botschaften für das Internet Governance Forum in Kyoto zu entwickeln.
Ein Schwerpunkt der Veranstaltung war die Podiumsdiskussion zum Thema „Ein KI-Qualitätsstandard als Katalysator für digitale Innovationen in Deutschland und der EU?“ Es diskutierten Julia Kloiber, Alexandra Wudel, Matthias Spielkamp, Markus Beckedahl, Linda Schwarz und Rosanna Fanni über die Bedeutung eines solchen Standards für die Förderung von Innovationen im digitalen Bereich.
Ein weiterer Schwerpunkt war das Interview zum Global Digital Compact mit MdB Tobias B. Bacherle, moderiert von Dr. Friederike von Franqué. In dem Interview wurden die globalen Herausforderungen der Digitalisierung und die Rolle Deutschlands diskutiert.
Ein Workshop zum Thema „Wie gehen Nachhaltigkeit und Digitalwirtschaft zusammen?“ bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, über die Verbindung von Nachhaltigkeit und der digitalen Wirtschaft zu diskutieren. Nach einem Impuls von Katrin Ohlmer brainstormten die Teilnehmenden unter Leitung von Kathrin Morasch und Dirk Krischenowski in den drei Themenrunden Ökonomie, Ökologie und Soziales Handlungsempfehlungen.
Eine moderierte Diskussion zwischen Regine Grienberger, Botschafterin für Cyberaußenpolitik im Auswärtigen Amt und Prof. Dr. Wolfgang Kleinwächter zum Themenkomplex Cybersicherheit im Spannungsfeld geo-strategischer Konflikte rundete den Tag ab.
Die Zusammenfassungen aller Diskussionen und Botschaften für Kyoto wird in Kürze auf der Website des IGF-D veröffentlicht.
ISOC.DE war mit Hans Peter Dittler, Stefan Fischer, Peter Koch, Katrin Ohlmer, Michael Rotert und Carsten Schiefner persönlich vertreten. Wir haben die Gelegenheit auch genutzt, um uns mit den anderen Teilnehmenden über ISOC auszutauschen.
Splinternet und kritische Infrastrukturen: Einblicke aus der Ukraine und Folgerungen für Deutschland
Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine haben die Welt in Atem gehalten und uns eine wichtige Lektion erteilt: Die digitale Infrastruktur ist ein entscheidender Faktor in der modernen Gesellschaft und kann in Krisenzeiten zum Zentrum des Geschehens werden.
Bei einer am 7.6.2023 von ISOC.de veranstalteten Diskussionsveranstaltung mit Aktiven des Vereins teilte René Fichtmüller, Mitarbeiter von Flexoptix und Vorstandsvorsitzender der Global NOG Alliance, die die Initiative „Keep Ukraine Connected“ betreibt, seine Erfahrungen und Einsichten aus erster Hand. Beruflich zurzeit im Königreich Bhutan tätig, berichtete er zwei Stunden lang von seinen Erfahrungen im Rahmen des Projektes, das unter https://nogalliance.org/our-task-forces/keep-ukraine-connected/ weiter um Unterstützung wirbt.
Unter der Leitung von Katrin Ohlmer, der Vorsitzenden von ISOC.de, eröffnete er einen tiefen Einblick in die Herausforderungen, denen sich die Ukraine gegenübersieht. Fichtmüller berichtete von seinen Reisen in die Ukraine, bei denen er half, mehr als 3 Millionen Dollar an technischer Ausrüstung zu liefern, um die digitale Infrastruktur des Landes zu stärken und die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Seine Erfahrungen und Einblicke aus der Ukraine bestätigten in der regen Diskussion einige wesentliche Erkenntnisse, die auch für Deutschland und andere Länder von Bedeutung sind:
Bedeutung der digitalen Infrastruktur: Die Erfahrungen in der Ukraine unterstreichen die entscheidende Rolle, die die digitale Infrastruktur in einer modernen Gesellschaft spielt. Sie ist nicht nur im Alltag von Unternehmen und Regierungen unerlässlich, sondern auch für die Aufrechterhaltung der Kommunikation in Krisenzeiten. In Deutschland sollte daher ein besonderer Fokus auf den Schutz und die Stärkung der digitalen Infrastruktur gelegt werden. Denn Krieg ist nicht das einzige Krisen-Szenario, das Vorbereitung erfordert.
Bereitschaft für Krisensituationen: Die Ereignisse in der Ukraine zeigen, wie schnell und tiefgreifend eine Krise die digitale Infrastruktur beeinträchtigen kann. Deutschland sollte sich auf solche Szenarien vorbereiten, indem es Notfallpläne erstellt und diese auch regelmäßig überprüft und aktualisiert. Diese Pläne sollten Maßnahmen zur Wiederherstellung der digitalen Infrastruktur im Falle eines Ausfalls enthalten.
Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit: Die Arbeit von Fichtmüller und der Globalen NOG-Allianz in der Ukraine zeigt, wie wichtig Solidarität und internationale Zusammenarbeit in Krisenzeiten sind. Deutschland sollte seine Bemühungen zur internationalen Zusammenarbeit in Bereichen wie Cybersecurity und digitaler Infrastruktur verstärken.
Bewusstsein für Cyberbedrohungen: Die Diskussionen über Cyberangriffe in der Ukraine unterstreichen die Notwendigkeit, das Bewusstsein für solche Bedrohungslagen zu erhöhen. In Deutschland sollten Unternehmen, Regierungen und Einzelpersonen ermutigt werden, ihre Kenntnisse über Cyberbedrohungen zu verbessern und Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Cyber-Resilienz zu ergreifen.
Bedeutung der Neutralität im Netz: Die Diskussion über die Entscheidung von ICANN, die russische Domain nicht vom Netz zu nehmen, hat Fragen zur Neutralität im Netz aufgeworfen. Fichtmüller betonte – bei aller Solidarität mit der Ukraine – die Bedeutung der Neutralität des Netzes und wie wichtig es wäre, Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu schützen.
Die Veranstaltung bot einen wertvollen Einblick in die Realität des Ukraine-Konfliktes und der Herausforderungen, die mit der Aufrechterhaltung der digitalen Infrastruktur in Kriegszeiten verbunden sind. Sie unterstrich die Bedeutung der Arbeit von Organisationen wie ISOC und der Initiative „Keep Ukraine Connected“, die sich dafür einsetzen, die digitale Konnektivität in Krisenzeiten aufrechtzuerhalten.
Katrin Ohlmer: „Die Erkenntnisse aus der Ukraine sind nicht nur für das Land selbst relevant, sondern auch für andere Länder wie Deutschland, in denen kein Krieg ist. Sie unterstreichen die Notwendigkeit, die digitale Infrastruktur zu schützen, sich auf alle Arten von Krisen weitsichtig vorzubereiten, das Bewusstsein für Cyberbedrohungen zu erhöhen und die Neutralität im Netz zu schützen. Wir müssen die Lektionen aus der Ukraine ernst nehmen und Maßnahmen ergreifen, um unsere digitale Infrastruktur zu stärken und uns auf mögliche Krisen vorzubereiten. Nur so können wir sicherstellen, dass wir in der Lage sind, den Herausforderungen auch für die digitale Welt zu begegnen und unsere Gesellschaften zu schützen.“
Wir bedanken uns bei René Fichtmüller für seine spannenden und persönlichen Einblicke, und freuen uns darauf, die Diskussion zu vertiefen. Wer die Initiative „Keep Ukraine connected“ unterstützen möchte, kann René und sein Team hier erreichen: https://nogalliance.org/our-task-forces/keep-ukraine-connected/
Für weitere Informationen, und um an zukünftigen Veranstaltungen teilzunehmen, besuchen Sie bitte unsere Website.
Europa hat ein Recht auf sichere Kommunikation und effektive Verschlüsselung
Die Vertraulichkeit und Sicherheit der digitalen Kommunikation sind für unsere Gesellschaft unerlässlich. Nicht nur der demokratische Diskurs lebt von einem freien Meinungsaustausch, sondern auch unsere Wirtschaft braucht eine sichere Kommunikation. Die Informationsfreiheit ist ein hohes Gut und ist in Artikel 11 der EU-Grundrechtecharta verankert.
Die Europäische Kommission hat Pläne zur Überwachung aller Kommunikationsinhalte in Erwägung gezogen, was diesen wichtigen demokratischen und wirtschaftlichen Zielen zuwiderlaufen würde. Die geplante anlasslose Überwachung aller Kommunikationsinhalte zur Erleichterung der Aufklärung von Straftaten bedeutet jedoch entweder die Entschlüsselung aller verschlüsselten Nachrichten durch die Diensteanbieter oder die Umgehung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durch automatisiertes und massenhaftes „Client Side Scanning“ (CSS) auf den Endgeräten der Nutzer.
Auf Initiative der Gesellschaft für Informatik (GI) hat CEPIS einen offenen Brief veröffentlicht, in dem die europäischen Gesetzgeber aufgefordert werden, das Recht auf eine starke und effektive Verschlüsselung für alle EU-Bürger, Unternehmen und Institutionen nicht zu untergraben. Darüber hinaus sollen Anbieter von Kommunikationsdiensten verpflichtet werden, den EU-Bürgern eine sichere IKT-Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Zudem wird ein Ende aller Aktivitäten gefordert, die die Verschlüsselung schwächen und umgehen, da sie die Sicherheit aller EU-Bürger und unserer Wirtschaft einem enormen Risiko aussetzen.
Als ISOC.DE unterstützen wir diese Forderungen und haben daher den Brief mitgezeichnet. Den offenen Brief finden Sie hier: https://cepis.org/right-to-secure-communication/
Rückblick vom Kaminabend „Internet Governance“
Am 9. Februar 2022 trafen sich interessierte ISOC.DE-Mitglieder beim virtuellen Kaminabend zum Thema „Internet Governance“, um im Rahmen dessen die gewonnenen Eindrücke vom letztjährigen Internet Governance Forum (IGF) in Kattowitz auszutauschen und zu diskutieren.
Nach einer kurzen Einführung ins Thema, die u.a. die Entstehungsgeschichte des IGF und die Multistakeholder Advisory Group (MAG) als dessen wesentliches thematisches Steuerungsorgan beleuchtete, wurde die enge Einbindung und die durchaus deutlich akzentsetzende Rolle der Gastgeberländer diskutiert. Weiterhin wurden die regionalen und nationalen IGF-Initiativen angesprochen – so z.B. der europäische Euro-DIG oder das deutsche IGF-D – sowie deren Verzahnung mit dem globalen IGF.
Vom IGF 2021 in Kattowitz haben die Teilnehmer unter den ISOC.DE-Mitgliedern als wesentliche Erkenntnisse Folgendes mitgenommen:
- Viele Gremien, viele Themen
- Im IGF werden keine Entscheidungen getroffen werden, eine Entscheidungsfindung wird durch das IGF vielmehr ermöglicht durch den dort stattfindenden Erkenntnisgewinn – dies wurde als positiv wahrgenommen
- Ein starker Fokus lag auf Aspekten wie „Menschenrechte der Nutzer“ oder „Demokratische Prinzipien bilden Grundlage für das Internet“
- Als weniger wünschenswerte Entwicklung entstand der Eindruck, dass die Lokalisierung des IGF-Prozesses insgesamt zu einer Atomisierung führt in zweierlei Hinsicht: Zum einen konkurrieren die regionalen bzw. nationalen IGFs mit dem globale IGF um Aufmerksamkeit, zum anderen sorgt die sehr breite Themenvielfalt bis hin zu KI, Nachhaltigkeit & Co. dafür, dass die eigentliche Internet Governance an sich zunehmend weniger im Fokus steht.
Die unter einem sich dafür anbietenden Motto „Make IGF Internet again“ stehende erneute Hinwendung zu Themen mit deutlich stärkerem Bezug zu klassischer Internet Governance wurde begrüßt.
ISOC.DE-Mitglied Manuel Höferlin steuerte ferner seine Sicht als Bundestagsabgeordneter bei auf die spezielle Relevanz des gesamten IGF-Prozesses gerade auch für Parlamentarier weltweit. Die Teilnahme von Regierungsvertretern am IGF ist wichtig, gewünscht und soll deswegen beibehalten und nach Möglichkeit ausgebaut werden. Da aber Regierungen nicht auch die Parlamente vertreten können und sollen, sondern von letzteren idealerweise beaufsichtigt werden, ist die IGF-Teilnahme gerade auch für Parlamentarier – auch die der Opposition – enorm wichtig.
Aus seiner Sicht ist es – gerade, weil viel national reguliert wird – gewinnbringend, politische Stakeholder anderer Länder zu treffen und zu hören, was z.B. bzgl. entsprechender Gesetzgebung in diesen Ländern passiert. Parlamentarier sind aus dieser Perspektive – wie alle anderen IGF-Teilnehmer auch – Internetnutzer mit verschiedener Herkunft und verschiedenem Hintergrund, die sich treffen und austauschen und so voneinander lernen. Manuel Höferlin schließt mit dem Wunsch nach einem regelmäßigen unterjährigen Austausch zwischen Parlamentariern, welcher aber als aktuelle Baustelle der IGF-Parlamentarier formalisiert und vorbereitet werden müsste.
Der Kaminabend schließt mit dem Hinweis, dass das zum Jahresende anstehende globale IGF im äthiopischen Addis Abeba stattfinden soll.
ISOC.DE ist Mitglied der Global Encryption Coalition
Verschlüsselung ist eine wichtige Technologie, die dazu beiträgt, dass Menschen, ihre Informationen und ihre Kommunikation privat und sicher bleiben. Einige Regierungen und Organisationen drängen jedoch darauf, die Verschlüsselung zu schwächen, was einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen würde, der die Sicherheit von Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt gefährdet.
Wir unterstützen daher Bemühungen, die die Nutzung starker Verschlüsselung zum Schutz der Menschen überall verbessert, stärkt und fördert. Insbesondere gilt das für Aktivitäten von Unternehmen, ihre Kunden zu schützen, indem sie starke Verschlüsselung in ihren Diensten und auf ihren Plattformen einsetzen.
Daher sind wir Mitglied der Global Encryption Coalition, kurz GEC, geworden. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, Verschlüsselung in wichtigen Ländern und multilateralen Foren zu fördern und zu verteidigen, wo sie bedroht ist. Die GEC unterstützt Unternehmen dabei, ihren Nutzern verschlüsselte Dienste anzubieten. Sie wurde im Jahr 2020 vom Center for Democracy & Technology, Global Partners Digital und der Internet Society gegründet und hat inzwischen über 200 Mitglieder weltweit.
Mehr Informationen zur GEC finden sich unter: https://www.globalencryption.org