Archive for the ‘Technik & Standardisierung’ Category
Austausch zu “ICANN und andere Dörfer” & die Rolle der technischen Community
Zum Jahresauftakttreffen fand am Montag, den 29. Januar 2024, der erste Austausch unter den ISOC-Mitgliedern zur Rolle der technischen Community in Gremien wie ICANN und in Internet Governance Prozessen statt.
Während des Treffens erörterten die Teilnehmer die Rolle und Sichtbarkeit der technischen Gemeinschaft innerhalb der ICANN und anderer Internet-Governance-Foren. Sie diskutierten, inwiefern ihre Interessen und der der technischen Community angemessen berücksichtigt werden und deren Auswirkungen auf politische Entscheidungsprozesse. Es herrschte Einigkeit darüber, dass eine bessere Kommunikation und Koordination innerhalb der technischen Community wünschenswert ist, um die Entwicklungen in der Politik besser zu begleiten mit dem Ziel, das offene, transparente und sichere Internet zu erhalten. Das ISOC-Chapter kam überein, sich mit ISOC in Brüssel in Verbindung zu setzen, um aktuelle Informationen über relevante regulatorische Entwicklungen zu erhalten.
Die folgenden Punkte fassen die wichtigsten Diskussionen zusammen:
- Technische Community und ICANN
Die Sichtbarkeit und Beteiligung der technischen Gemeinschaft innerhalb der ICANN wurde erörtert. Es wurde festgestellt, dass die technische Gemeinschaft in den Prozessen der Politikentwicklung und Entscheidungsfindung unterrepräsentiert zu sein scheint.
Es wurde die Befürchtung geäußert, dass der Einfluss der technischen Gemeinschaft im Laufe der Zeit abgenommen hat, möglicherweise aufgrund einer Verschiebung der Machtverhältnisse oder weil bestimmte grundlegende Internetprinzipien nicht mehr zur Debatte stehen.
- Die Rolle und Plan für 2024 von ISOC
Die Gruppe diskutierte den neuen Themenfokus von ISOC für 2024 und die damit verbundene Konzentration auf die Verteidigung des offenen Internets in UN-Prozessen, einschließlich des Internet Governance Forums und des Global Digital Compact.
Es wurden Bedenken geäußert über die geringere Beteiligung der ISOC an technischen Aktivitäten, wie z.B. der Routing-Sicherheit, die an die Global Cyber Alliance übergeben wurde.
- Einfluss von Regulierung und Politikentwicklung:
Auf der Sitzung wurde der zunehmende Einfluss der Regulierung auf technische Aspekte des Internets angesprochen, wobei Regierungen und andere Stellen Regeln aufstellen, an die sich die technische Gemeinschaft anpassen muss.
Beispiele hierfür waren der Ansatz der EU zur Kontrolle von Inhalten, Verschlüsselung und die möglichen Auswirkungen der KI auf die Internet-Governance.
- Internet Governance Forum (IGF) und Themenauswahl:
Die Rolle des IGF als Plattform für offene Diskussionen ohne verbindliche Entscheidungen wurde erläutert. Die Herausforderung, technische Themen durchzusetzen, und die Notwendigkeit einer stärkeren Vertretung technischer Fragen wurden diskutiert.
Die Gruppe überlegte, wie man sich besser in das IGF einbringen und die Themenauswahl begleiten kann, um sicherzustellen, dass technische Perspektiven angemessen vertreten sind.
- Austausch mit ISOC Brüssel
Die Teilnehmer äußerten den Wunsch nach einer besseren Kommunikation mit der ISOC-Vertretung in Brüssel, um die für die technische Gemeinschaft relevanten Diskussionen über Politik und Regulierung zu begleiten.
Es wurde vorgeschlagen, David Frautschy von ISOC zu einem Austausch einzuladen, um das deutsche Chapter über regulatorische Entwicklungen zu informieren.
Splinternet und kritische Infrastrukturen: Einblicke aus der Ukraine und Folgerungen für Deutschland
Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine haben die Welt in Atem gehalten und uns eine wichtige Lektion erteilt: Die digitale Infrastruktur ist ein entscheidender Faktor in der modernen Gesellschaft und kann in Krisenzeiten zum Zentrum des Geschehens werden.
Bei einer am 7.6.2023 von ISOC.de veranstalteten Diskussionsveranstaltung mit Aktiven des Vereins teilte René Fichtmüller, Mitarbeiter von Flexoptix und Vorstandsvorsitzender der Global NOG Alliance, die die Initiative “Keep Ukraine Connected” betreibt, seine Erfahrungen und Einsichten aus erster Hand. Beruflich zurzeit im Königreich Bhutan tätig, berichtete er zwei Stunden lang von seinen Erfahrungen im Rahmen des Projektes, das unter https://nogalliance.org/our-task-forces/keep-ukraine-connected/ weiter um Unterstützung wirbt.
Unter der Leitung von Katrin Ohlmer, der Vorsitzenden von ISOC.de, eröffnete er einen tiefen Einblick in die Herausforderungen, denen sich die Ukraine gegenübersieht. Fichtmüller berichtete von seinen Reisen in die Ukraine, bei denen er half, mehr als 3 Millionen Dollar an technischer Ausrüstung zu liefern, um die digitale Infrastruktur des Landes zu stärken und die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Seine Erfahrungen und Einblicke aus der Ukraine bestätigten in der regen Diskussion einige wesentliche Erkenntnisse, die auch für Deutschland und andere Länder von Bedeutung sind:
Bedeutung der digitalen Infrastruktur: Die Erfahrungen in der Ukraine unterstreichen die entscheidende Rolle, die die digitale Infrastruktur in einer modernen Gesellschaft spielt. Sie ist nicht nur im Alltag von Unternehmen und Regierungen unerlässlich, sondern auch für die Aufrechterhaltung der Kommunikation in Krisenzeiten. In Deutschland sollte daher ein besonderer Fokus auf den Schutz und die Stärkung der digitalen Infrastruktur gelegt werden. Denn Krieg ist nicht das einzige Krisen-Szenario, das Vorbereitung erfordert.
Bereitschaft für Krisensituationen: Die Ereignisse in der Ukraine zeigen, wie schnell und tiefgreifend eine Krise die digitale Infrastruktur beeinträchtigen kann. Deutschland sollte sich auf solche Szenarien vorbereiten, indem es Notfallpläne erstellt und diese auch regelmäßig überprüft und aktualisiert. Diese Pläne sollten Maßnahmen zur Wiederherstellung der digitalen Infrastruktur im Falle eines Ausfalls enthalten.
Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit: Die Arbeit von Fichtmüller und der Globalen NOG-Allianz in der Ukraine zeigt, wie wichtig Solidarität und internationale Zusammenarbeit in Krisenzeiten sind. Deutschland sollte seine Bemühungen zur internationalen Zusammenarbeit in Bereichen wie Cybersecurity und digitaler Infrastruktur verstärken.
Bewusstsein für Cyberbedrohungen: Die Diskussionen über Cyberangriffe in der Ukraine unterstreichen die Notwendigkeit, das Bewusstsein für solche Bedrohungslagen zu erhöhen. In Deutschland sollten Unternehmen, Regierungen und Einzelpersonen ermutigt werden, ihre Kenntnisse über Cyberbedrohungen zu verbessern und Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Cyber-Resilienz zu ergreifen.
Bedeutung der Neutralität im Netz: Die Diskussion über die Entscheidung von ICANN, die russische Domain nicht vom Netz zu nehmen, hat Fragen zur Neutralität im Netz aufgeworfen. Fichtmüller betonte – bei aller Solidarität mit der Ukraine – die Bedeutung der Neutralität des Netzes und wie wichtig es wäre, Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu schützen.
Die Veranstaltung bot einen wertvollen Einblick in die Realität des Ukraine-Konfliktes und der Herausforderungen, die mit der Aufrechterhaltung der digitalen Infrastruktur in Kriegszeiten verbunden sind. Sie unterstrich die Bedeutung der Arbeit von Organisationen wie ISOC und der Initiative “Keep Ukraine Connected”, die sich dafür einsetzen, die digitale Konnektivität in Krisenzeiten aufrechtzuerhalten.
Katrin Ohlmer: „Die Erkenntnisse aus der Ukraine sind nicht nur für das Land selbst relevant, sondern auch für andere Länder wie Deutschland, in denen kein Krieg ist. Sie unterstreichen die Notwendigkeit, die digitale Infrastruktur zu schützen, sich auf alle Arten von Krisen weitsichtig vorzubereiten, das Bewusstsein für Cyberbedrohungen zu erhöhen und die Neutralität im Netz zu schützen. Wir müssen die Lektionen aus der Ukraine ernst nehmen und Maßnahmen ergreifen, um unsere digitale Infrastruktur zu stärken und uns auf mögliche Krisen vorzubereiten. Nur so können wir sicherstellen, dass wir in der Lage sind, den Herausforderungen auch für die digitale Welt zu begegnen und unsere Gesellschaften zu schützen.“
Wir bedanken uns bei René Fichtmüller für seine spannenden und persönlichen Einblicke, und freuen uns darauf, die Diskussion zu vertiefen. Wer die Initiative “Keep Ukraine connected” unterstützen möchte, kann René und sein Team hier erreichen: https://nogalliance.org/our-task-forces/keep-ukraine-connected/
Für weitere Informationen, und um an zukünftigen Veranstaltungen teilzunehmen, besuchen Sie bitte unsere Website.
Für sichere Verschlüsselung ohne “Wenn” und “Aber”
Wieder einmal erliegt ist man im Bundesinnenministerium der Meinung, man könne die Sicherheit im Land erhöhen, indem man die Verschlüsselung von Internetdiensten kompromittiert. Anbieter von Messenger-Diensten wie Whatsapp, Threema … sollen gesetzlich verpflichtet werden, Eingriffe in die Verschlüsselung ihrer Dienste vorzunehmen, sodass Behörden bei Verdachtsfällen die gesamte Kommunikation überwachen können. Darauf, dass durch solche Eingriffe die Sicherheit der Internet-Dienste und des Internet gefährdet wird, hat ISOC.DE in verschiedenen Veranstaltungen in den letzten Jahren hingewiesen (vergl. “Internet Society CEO Andrew Sullivan in Berlin” und “Sicherheit zwischen Kryptographie und Überwachung“) .
Über 80 Organisationen aus der Internet Gemeinschaft und der Zivilgesellschaft und fast 150 Fachleute unterstützen einen offenen Brief, der noch einmal die drastischen, negativen Konsequenzen solcher Maßnahmen aufzeigt. Eine Kopie mit Liste der Unterzeichner, Stand 13.6., gibt es bei ISOC.DE.
Internet Society CEO Andrew Sullivan in Berlin
Andrew Sullivan, Präsident und CEO der Internet Society (ISOC), war vom 31. März bis zum 3. April in Berlin. Außer Besuchen in den Internet-Ministerien (Außen–, Innen–, Justiz–, Wirtschaft–) gemeinsam mit Vorstandsmitgliedern der ISOC.DE, standen u.a. zwei Diskussionsrunden auf dem Programm. Zu diesen Veranstaltungen hatten das Weizenbaum Institut und der Verband der Internet Wirtschaft (eco) gemeinsam mit ISOC.DE eingeladen hatten.
Hauptsächlich ging es bei dem Besuch um die Vorbereitung des Internet Governance Forums (IGF) im Herbst 2019 in Berlin. In den zwei Runden wurden denn auch über IGF-Themen diskutiert. Die erste Runde (im Weizenbaum Institut) beschäftigte sich damit, wie und zu welchen Themen das IGF arbeiten sollte. Die zweite Runde (eco und ISOC.DE) widmete sich konkret dem Zusammenhang von Kryptografie und Internet, ein Thema, das auch auf dem IGF wieder diskutiert werden wird. Read the rest of this entry »
Viel Interesse an Bürgerrechten im Netz
70 Teilnehmer folgten am 26.11.2018 der Einladung von ISOC.DE in Die Eins, um über “Bürgerrechte im Netz” zu diskutieren, festgemacht an den Themen Netzneutralität und Datenschutz. Die Veranstaltung fand im Anschluss an die diesjährige Mitgliederversammlung der ISOC.DE statt.
Einen schlechten Start hatte die Diskussion über Netzneutralität. Von den drei angekündigten Diskutanten fielen zwei kurzfristig aus. Der Moderatorin Katrin Ohlmer gelang es, Philippe Gröschel von Telefónica Germany zu gewinnen, der das Thema aus Sicht eines Netzanbieters vertrat. Eine Regulierung, die die Internet Service Anbieter zur Einhaltung der Netzneutralität verpflichtet, lehnt er ab. Eine solche Regulierung sei nicht nur überflüssig sondern behindere auch Innovation (z. B. im Bereich Edge Computing). Dem gegenüber zählte Klaus Birkenbihl Beispiele dafür auf, dass Internet Service Provider, um eigene oder befreundete Angebote zu befördern, Angebote der Konkurrenz ausgebremsen, blockten oder verteuerten. Vorfälle wie diese und Untersuchungen in der Vergangenheit hätten gezeigt, dass ein Auseinanderbrechen des Internet drohe, wenn man weiterhin den Internet Service Providern freie Hand dabei lasse, Netze nicht neutral sondern zugunsten eigener Geschäfte zu managen.
Das Panel Datenschutz wurde in Zusammenarbeit mit Networks & Politics durchgeführt. Moderator Jan Mönikes konnte ein Panel begrüßen, auf dem alle eine unterschiedliche Sichtweise auf das Thema und die Bewertung der DSGVO haben.
- Winfried Veil, Datenschutzexperte, sieht die DSGVO im Konflikt zur Freiheit der Meinungsäußerung und der Kunstfreiheit. Zwar solle sich die DSGVO gegen die Datensammelwut einiger Großkonzerne richten, sie produziere aber Einschränkungen und Risiken für den Normalbürger, deren Auswüchse in Form von entfernten Klingelschildern in Wien, Kindergarten-Gruppenbildern mit geschwärzten Gesichtern etc. Bekanntheit erlangt hätten.
- Patrick Breyer von der Piratenpartei sieht dies ganz anders. Personenbezogene Daten gäben Macht über Personen. Deshalb sei es wichtig, dass die Verfügung über Daten einzig in der Hand der Betroffenen liege.
- Marit Hansen, Datenschutzbeauftragte für Schleswig-Holstein hält die DSGVO für nicht perfekt, aber für notwendig. Statt über Auswüchse zu jammern solle man daran arbeiten, vernünftige rechtliche und technische Lösungen zu finden, die Tracking vermeiden und nur sparsam Daten sammeln.
- Christin Schäfer von ACS+ wünscht sich mehr Rechtssicherheit für die Verarbeitung von Daten.
Beim anschließenden Empfang hatten die Teilnehmer reichlich Gelegenheit, die teils kontroversen Thesen der Panellisten weiter zu diskutieren.