Offener Brief an die Parteivorsitzenden zur Bundestagswahl
1. Erhalt starker Verschlüsselung und Verzicht auf Chatkontrollen
Wirksame Verschlüsselung ist ein fundamentaler Pfeiler digitaler Sicherheit und des Datenschutzes sei es für die private Kommunikation der Bürger, die Vertraulichkeit sensibler Daten von Unternehmen oder die Sicherung kritischer Infrastrukturen.. Denn auch vermeintlich freiwilliges Client-Side Scanning, das im Rahmen der Chatkontrolle eingesetzt werden soll, untergräbt die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und öffnet Tür und Tor für Überwachung und Zensur. ISOC.DE lehnt diese Technologie entschieden ab und fordert Sie auf, sich für den Erhalt starker Verschlüsselung und gegen die Einführung von Chatkontrollen einzusetzen.
2. Konsequente und sachgerechte Umsetzung der NIS2-Richtlinie
Die NIS2-Richtlinie der EU ist ein wichtiger Schritt, um die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen zu stärken. Deren Umsetzung in nationales Recht sollte jedoch auf fundiertem technischem Know-how, sachlicher Abwägung und Verhältnismäßigkeit basieren. Neue Vorschriften dürfen weder Innovationen behindern noch kleinere und mittlere Unternehmen unverhältnismäßig belasten. Statt pauschaler Vorgaben brauchen wir einen intensiven Austausch mit der technischen Community, um sicherzustellen, dass angestrebte Verbesserungen tatsächlich erreicht werden und nicht zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen führen.
3. Ablehnung der Fair-Share-Initiative der EU und bedachtere Regulierung
Die sogenannte Fair-Share-Initiative, die große Internetunternehmen an Kosten der Telekommunikationsunternehmen für den Netzausbau beteiligen will, gefährdet die Offenheit und Neutralität des Internets. Langfristig kann sie zu Monopolisierungstendenzen, höheren Verbraucherpreisen und weniger Innovation führen. Wir appellieren an Sie, im Europäischen Rat zunächst bestehende Regulierungen sorgfältig zu evaluieren und faktenbasiert zu handeln, bevor zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden.
4. Keine Kriminalisierung des freien Informationsaustauschs, keine Fragmentierung des Internets
Ein ungehinderter Informationsfluss ist die Grundlage für Innovation, Bildung und eine lebendige demokratische Debattenkultur. Regelungen, die den freien Austausch von Wissen und Inhalten kriminalisieren oder unverhältnismäßig einschränken, dürfen nicht zum Instrument politischer Steuerung werden. Gesetzliche Rahmenbedingungen sollten die kreative Entfaltung, eine offene Wissensgesellschaft und den fairen, rechtmäßigen Umgang mit digitalen Inhalten fördern. Das Internet lebt von seiner globalen Interoperabilität. Nationale Sonderwege, abgeschottete Netze und proprietäre Standards untergraben diese Grundprinzipien. Nur ein offenes, weltweit vernetztes Internet, dessen technische Grundlagen in Gremien wie IETF, ICANN oder W3C unter Einbezug aller relevanten Akteure weiterentwickelt werden, kann langfristig Sicherheit, Innovation und globale Teilhabe garantieren.
5. Stärkung des Multistakeholderansatzes und Einbeziehung technischer Experten
Nachhaltige Netzpolitik erfordert einen breiten Dialog zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und der technischen Community. Entscheidungen sollten nicht allein von politischen oder rechtlichen Erwägungen geleitet sein, sondern ebenso die Perspektive von Technikexperten, insbesondere denen, die die planerische und operative Verantwortung für den sicheren Betrieb der Kerninfrastruktur des Netzes haben, einbeziehen. Nur auf dieser Grundlage können praktikable, sichere und zukunftsfähige politische Rahmenbedingungen entstehen. Wir erinnern dazu an die Resolution des Deutschen Bundestages vom [ergänzen]. Für das Jahr 2025 ist es notwendig, im Rahmen des WSIS+20-Prozesses die Weichen für eine Verlängerung und Verdauerung der Mandats des Internet Governance Forums voranzutreiben.
Warum das jetzt zählt
In der kommenden Legislaturperiode wird sich entscheiden, ob Deutschland seine digitale Souveränität stärkt und zu einem Vorreiter für Offenheit, Sicherheit und internationale Anschlussfähigkeit im digitalen Raum wird. Die notwendige Balance zwischen Schutzbedürfnissen, unternehmerischer Innovationskraft, technischer Machbarkeit und gesellschaftlicher Teilhabe ist anspruchsvoll, aber realisierbar. Mit zukunftsgerechten Rahmenbedingungen können Sie den Grundstein für ein stabiles, sicheres und offenes digitales Ökosystem legen, von dem alle profitieren.
ISOC.DE und seine Mitglieder stehen Ihnen natürlich auch in der kommenden Legislaturperiode wieder als Gesprächspartner, Experten und Vermittler zur Verfügung. Unser breit gefächertes Netzwerk aus technischen Fachleuten, Wissenschaftlern, Vertretern der Internetwirtschaft und zivilgesellschaftlichen Akteuren unterstützt Sie gern dabei, gut begründete und langfristig tragfähige Entscheidungen für ein offenes, sicheres und freies Internet zu treffen. Für weiterführende Gespräche, Fachgespräche oder Workshops stehen wir jederzeit bereit.
Mit freundlichen Grüßen
ISOC.DE e.V. – Deutsche Sektion der Internet Society Der Vorstand: Hans Peter Dittler, Stefan Fischer, Peter Koch, Jan Mönikes
Internet Governance Forum Deutschland (IGF-D) als Verein gegründet
Das Internet Governance Forum Deutschland (IGF-D) hat sich am 8.04.2024 als Verein gegründet und sich somit eine kraftvolle Struktur gegeben. Das unterstützen wir.
Der Verein IGF-D versteht sich als nationale Plattform des Internet Governance Forum IGF der Vereinten Nationen. Es werden Antworten erarbeitet, wie digitale Chancen maximiert und digitale Risiken und Herausforderungen angegangen werden können, zum Wohle aller. Menschen aus verschiedenen Interessengruppen kommen hier zusammen.
Das Internet Governance Forum Deutschland (IGF-D) unterstützt diesen Multi-Stakeholder-Governance-Ansatz, wie auch wir, die Internet Society, German Chapter e.V. (ISOC.DE).
Wie schon seit dem 1. deutschen Internet Governance Forum 2008, steht dieses Forum als offene Diskussionsplattform von Interessierten gegründet, darunter auch Mitglieder des ISOC.DE, weiterhin allen offen.
Wir gratulieren unserem Vorstandsmittglied Peter Koch zur Wahl zum Vorsitzenden.
Austausch zu “ICANN und andere Dörfer” & die Rolle der technischen Community
Zum Jahresauftakttreffen fand am Montag, den 29. Januar 2024, der erste Austausch unter den ISOC-Mitgliedern zur Rolle der technischen Community in Gremien wie ICANN und in Internet Governance Prozessen statt.
Während des Treffens erörterten die Teilnehmer die Rolle und Sichtbarkeit der technischen Gemeinschaft innerhalb der ICANN und anderer Internet-Governance-Foren. Sie diskutierten, inwiefern ihre Interessen und der der technischen Community angemessen berücksichtigt werden und deren Auswirkungen auf politische Entscheidungsprozesse. Es herrschte Einigkeit darüber, dass eine bessere Kommunikation und Koordination innerhalb der technischen Community wünschenswert ist, um die Entwicklungen in der Politik besser zu begleiten mit dem Ziel, das offene, transparente und sichere Internet zu erhalten. Das ISOC-Chapter kam überein, sich mit ISOC in Brüssel in Verbindung zu setzen, um aktuelle Informationen über relevante regulatorische Entwicklungen zu erhalten.
Die folgenden Punkte fassen die wichtigsten Diskussionen zusammen:
- Technische Community und ICANN
Die Sichtbarkeit und Beteiligung der technischen Gemeinschaft innerhalb der ICANN wurde erörtert. Es wurde festgestellt, dass die technische Gemeinschaft in den Prozessen der Politikentwicklung und Entscheidungsfindung unterrepräsentiert zu sein scheint.
Es wurde die Befürchtung geäußert, dass der Einfluss der technischen Gemeinschaft im Laufe der Zeit abgenommen hat, möglicherweise aufgrund einer Verschiebung der Machtverhältnisse oder weil bestimmte grundlegende Internetprinzipien nicht mehr zur Debatte stehen.
- Die Rolle und Plan für 2024 von ISOC
Die Gruppe diskutierte den neuen Themenfokus von ISOC für 2024 und die damit verbundene Konzentration auf die Verteidigung des offenen Internets in UN-Prozessen, einschließlich des Internet Governance Forums und des Global Digital Compact.
Es wurden Bedenken geäußert über die geringere Beteiligung der ISOC an technischen Aktivitäten, wie z.B. der Routing-Sicherheit, die an die Global Cyber Alliance übergeben wurde.
- Einfluss von Regulierung und Politikentwicklung:
Auf der Sitzung wurde der zunehmende Einfluss der Regulierung auf technische Aspekte des Internets angesprochen, wobei Regierungen und andere Stellen Regeln aufstellen, an die sich die technische Gemeinschaft anpassen muss.
Beispiele hierfür waren der Ansatz der EU zur Kontrolle von Inhalten, Verschlüsselung und die möglichen Auswirkungen der KI auf die Internet-Governance.
- Internet Governance Forum (IGF) und Themenauswahl:
Die Rolle des IGF als Plattform für offene Diskussionen ohne verbindliche Entscheidungen wurde erläutert. Die Herausforderung, technische Themen durchzusetzen, und die Notwendigkeit einer stärkeren Vertretung technischer Fragen wurden diskutiert.
Die Gruppe überlegte, wie man sich besser in das IGF einbringen und die Themenauswahl begleiten kann, um sicherzustellen, dass technische Perspektiven angemessen vertreten sind.
- Austausch mit ISOC Brüssel
Die Teilnehmer äußerten den Wunsch nach einer besseren Kommunikation mit der ISOC-Vertretung in Brüssel, um die für die technische Gemeinschaft relevanten Diskussionen über Politik und Regulierung zu begleiten.
Es wurde vorgeschlagen, David Frautschy von ISOC zu einem Austausch einzuladen, um das deutsche Chapter über regulatorische Entwicklungen zu informieren.
Mitgliederversammlung wählt Vorstand und Präsidium
Bei der jährlichen Mitgliederversammlung am 8. Dezember 2023 des ISOC.DE e.V. fanden neben dem bewährten Update zu den Vereinsaktivitäten im abgelaufenen Jahr die Neuwahlen zum Vorstand und Präsidium statt. Auf der digitalen Versammlung wurde Katrin Ohlmer als Vorstandsvorsitzende bestätigt und wird weiterhin die Geschicke des Vereins leiten. Jan Mönikes wurde ebenfalls wiedergewählt und wird weiterhin als Schatzmeister für die finanziellen Angelegenheiten des Vereins verantwortlich sein. Des Weiteren wurden Hans Peter Dittler und Peter Koch als stellvertretende Vorsitzende wiedergewählt. Neu in das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde Stefan Fischer, der Jonas Jaczek ersetzen wird.
Das Präsidium aus Klaus Birkenbihl, Enno de Vries, MdB Manuel Höferlin, Dirk Krischenowski, Prof. Michael Rotert, Carsten Schiefner, Gerd Sokolies und Rüdiger Volk wurde durch die Mitgliederversammlung bestätigt.
Die Wiederwahl und Neuwahl der Vorstandsmitglieder und des Präsidiums zeigen das Vertrauen und die Anerkennung der Mitglieder von ISOC.DE e.V. in ihre Arbeit. Mit ihrer Expertise und ihrem Engagement werden sie den Verein weiter voranbringen, er kann somit seine Mission fortsetzen, sich für ein offenes, transparentes und sicheres Internet einzusetzen.
An dieser Stelle geht ein herzlicher Dank an Jonas Jaczek für sein Engagement im Vorstand in den vergangenen Jahren ebenso wie an Klaus Birkenbihl für die erneute professionelle Leitung des ISOC-Büros.
Chapter-Austausch zu Encryption auf ICANN-Konferenz
Auf der ICANN-Konferenz in Hamburg konnten wir als deutsches ISOC-Chapter nach vielen Jahren Corona-bedingter Pause die Tradition des Austauschs mit anderen Chaptern wieder aufleben. Am Dienstag, den 24. Oktober 2023, luden wir – unterstützt durch ISOC org – daher zu einem Empfang in das Hamburger CCH ein. Über 110 Teilnehmende folgten unserer Einladung, neben ISOC-Mitgliedern auch ISOC- und ICANN-Board-Mitglieder. Neben dem persönlichen Austausch stand die Bedeutung von Verschlüsselung in der heutigen digitalen Welt im Fokus des Abends, als thematische Fortsetzung des Global Encryption Day 2023.
Katrin Ohlmer startete mit einem herzlichen Willlkommen, einer Vorstellung des deutschen Chapters, seines Themenfokus für 2023 und seiner Mitgliederstruktur in den Abend. Die ISOC-Board-Mitglieder Barry Leiba und Caleb Ogundele baten um Teilnahme an der aktuellen Umfrage zur strategischen Ausrichtung von ISOC für 2024, die direkt viele der Teilnehmenden online beantworteten. Im Anschluß stellte Hans-Peter Dittler die Aktivitäten des deutschen Chapters im Bereich Encryption vor, und beantwortete die Nachfragen aus dem Publikum. Anschließend nutzen einige Chapter-Mitglieder die Gelegenheit, den Teilnehmenden ihre Aktivitäten im Bereich Encryption kurz vorzustellen. Beim anschließenden Get-Together konnten die individuellen Erfahrungen ausgetauscht und weiter vertieft werden.
Insgesamt war die Veranstaltung in Hamburg im Oktober 2023 ein großer Erfolg. Die teilnehmenden ISOC-Mitglieder hatten die Möglichkeit, sich über das Thema Encryption auszutauschen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und wertvolle Kontakte zu knüpfen. Die Veranstaltung war informativ, unterhaltsam und hat sicherlich dazu beigetragen, das Bewusstsein für die Bedeutung von Verschlüsselung zu stärken.
Wir freuen uns auf eine Fortsetzung auf einem der kommenden ICANN-Meetings!