Archiv für die Kategorie „Technik & Standardisierung“
Netzneutralität, Sicherheit des DNS, hää?
„Was macht ihr bei der Internet Society?“. „Wir setzen uns für ein offenes, sicheres und gut zugängliches Internet ein. Wir möchten, dass die Netzneutralität gewahrt wird …“. „Gähhhhn“.
Es bleibt schwierig komplexe Sachverhalte, um die man sich beim Internet kümmern sollte, der Nutzerschaft verständlich, sachlich richtig, spannend und unterhaltsam zu vermitteln. Late Night Talker John Oliver hat sich in seiner Sendung „Last Week Tonight“ dem Thema „Trump und die Netzneutralität“ zugewandt, informativ, gut recherchiert und unkonventionell und mit Humor auf den Punkt gebracht — auch für Laien sehenswert. So gibt es denn auch 4Mio+ Klicks auf youtube für diesen Beitrag — wow!
Reißerischer und sensations-heischend — dennoch durchaus mit Längen — kommt Galileo auf „pro7“ mit dem Titel „Die Schlüssel zum Internet — was hat es damit auf sich?“ daher. Die Autoren des Beitrags begleiten Olaf Kolkman (ICANN, ISOC) nach Culpeper in Virginia, einem der Orte, wo der Key Signing Key (KSK) für den Zone Signing Key (ZSK) der DNS Root Zone aufbewahrt wird. Immerhin versucht der Beitrag die Wichtigkeit eines integren DNS für das Internet zu erklären.
Wer aber wissen will, was es damit auf sich hat, sollte lieber den recht verständlichen Artikel „Alle drei Monate ein Hochamt für das Internet“ von 2013 in Zeit Online lesen.
Etwas weniger USA in der Internet Verwaltung
Mit dem IANA Stewardship Übergang zieht sich das U.S. Department of Commerce National Telecommunications and Information Administration (NTIA) aus einer zentralen technischen Funktion des Internet zurück. Ab nun ist die Internet-Community repräsentiert durch ICANN in der Verantwortung.
Über die Schwierigkeiten einen robusten Konsensvorschlag für den IANA Stewardship Übergang zu entwickeln hat ISOC.DE in dem Artikel „IANA Stewardship Transition: Einfaches wird kompliziert“ berichtet. Bleibt zu hoffen, dass die Turbulenzen des Übergangs überwunden sind und statt dessen gemeinsam der Betrieb dieser für das Internet kritischen Institution gewährleistet wird.
International hat sich die Internet Society sehr für diesen Übergang eingesetzt und sich verpflichtet, aktiv an der Implementierung der im Konsensvorschlag angelegten Prozesse mitzuarbeiten.
Viel los bei ISOC.DEs Krypto-Event auf der IETF96

Foto: Jonas Jacek
Schwieriger wurde es da schon bei Staatssekretärin Brigitte Zypries, die bedauerte, dass so wenig Kryptographie angewandt werde, gleichzeitig aber eine eventuelle Einschränkung starker Kryptographie in Abhängigkeit von der jeweiligen Sicherheitslage nicht ausschließen wollte. Nachdrücklich unterstützte sie auf Nachfrage das Projekt Zitis der Bundesregierung. Zitis wird eine Behörde, die z. B. unter Ausnutzung von Sicherheitslücken Überwachung von verschlüsselter Information ermöglichen soll. Frau Zypries sagt dazu: „Wir müssen als Staat auch handlungsfähig sein.“ Monika Ermert hat auf heise.de mehr zu den Ausführungen von Frau Zypries.
Bernd Schlömer, ehemaliger Piratenvorsitzer, LOAD e.V.-Vorstand und im Bundesverteidigungsministerium mit Cybersicherheit befasst, findet, das Internet sei gut. Und damit das so bleibt, braucht es Sicherheit, die der Staat verteidigen müsse: zum Schutz der Bürger und zur Vermeidung von Angriffen. Dabei seien allerdings Ermittlungsmethoden abzulehnen, die die Selbstbestimmung der Bürger und die Privatheit ihrer Kommunikation und Daten bedrohen.
Olaf Kolkman, Chief Internet Technology Officer der Internet Society, identifizierte Kryptographie als ein fundamentales Werkzeug für Sicherheit, das bereits breit im Einsatz sei. Daran zu manipulieren (Backdoors, Schlüsselhinterlegungen …) gefährde die Sicherheit des Netzes und müsse unterbleiben. Sicherheit sei aber nur gegeben, wenn auch die angeschlossenen Geräte sicher sind: insofern sei auch jede Maßnahme, die die Geräte angreift (Quellenüberwachung, Bundestrojaner … ) eine Gefährdung der Netzsicherheit. Sorgen bereite ihm auch das Internet of Things, wo vielfach zu erwarten sei, dass die Endgeräte nicht genügend sicher seien.
Die Slides zu den Vorträgen von Kathy Brown, Bernd Schlömer und Olaf Kolkman sind auf der Veranstaltungs-Website hinterlegt. Jonas Jacek hat auf Flickr Bilder zu Verfügung gestellt.
Update 28.7.: Die Veranstaltung (und die IETF) hat auch im Deutschlandfunk in der Sendung von Manfred Kloiber und Peter Welchering einen Platz bekommen. Frau Zypries kommt im O-Ton im Podcast „Sicherheitsfunktionen in Internet-Protokollen entscheiden über das Vertrauen“ vor. Hans Peter Dittler äußert sich zu Sicherheit in Internet-Protokollen gegen Ende des Beitrages „Googles Quic will gegen bewährte Netzprotokolle antreten“ .
HTTP-Code 451 – der HTTP-Zensurcode?
Das HTTP-Protokoll kennt 5 Gruppen von Statuscodes. Die 400er-Gruppe — Client-Fehler, bekannte Vertreter „404 not found“ und „403 forbidden“ — hat im Februar Zuwachs bekommen. Auf Vorschlag von Tim Bray — bekannt unter anderem als (Co-)Editor der Standards für XML und JSON — wurde im RFC 7725 der Status „451 unavailable for legal reasons“ veröffentlicht. Den Code „451“ hat Tim Bray passender weise dem Titel des Romans über das Land, in dem Bücher verboten sind, „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury entlehnt, und sich artig bei diesem in den Acknowledgements zum RFC 7725 bedankt.
Auf iRIGHTS.info hat Hans Peter Dittler, Vorstand bei ISOC.DE und seit 1992 bei der IETF aktiv, mehr zum Thema.
Übrigens: ein HTTP-Status „1984 – somebody is watching you“ würde nicht in das Schema der HTTP-Statuscodes passen und könnte meist auch nicht ohne weiteres vom Server festgestellt werden.
Das ungewisse Schicksal der TMG-Reform
Erinnert sich noch wer? Vieles von dem, was CDU/CSU und SPD noch in seltener Eintracht in der Enquete-Kommission des Jahres 2013 beschlossen hatten, fand keinen Eingang in den Koalitionsvertrag der “großen” Koalition. Die Reform der Störerhaftung durch eine Überarbeitung der Regelungen des zentralen Telemediengesetzes (TMG) aber schon: Die Mitglieder des Bundestagsausschusses “Digitale Agenda” sollten den Weg freimachen für mehr offenes WLAN in den Städten, indem die Haftungsrisiken etwa für Cafés, Freifunker oder städtische Hotspots reduziert werden. Denn als eine der Ursachen für die im Vergleich zu anderen Ländern ziemlich trostlose “Free-WiFi” Infrastruktur in Deutschland identifizierten die “Netzpolitiker” die “Störerhaftungs”-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die den Betreiber eines Internetzugangs neben dem Verursacher haften lässt, wenn ein Nutzer den Zugang für rechtswidriges Handeln, etwa für Filesharing, nutzt.
Die einfachste Möglichkeit, die durchweg ja in kommerziellem Interesse handelnden Betreiber von “WiFi to Stay”, aus der Haftung zu bringen, wäre dabei sicherlich gewesen, sie mit Internet-Zugangsanbietern gleichzustellen. Allein: Die Auflagen für den gewerblichen Betrieb von Telekommunikationsanlagen – zu dem der Betrieb von öffentlichen Netzzugängen nun mal gezählt wird – sind inzwischen so hoch, dass man die rechtlichen Folgen eher als zu kompliziert bis abschreckend fand. Café-Hotsposts einfach pauschal freizustellen, scheute man jedoch auch, da man beispielsweise bei Datensicherheit und Datenschutz die Gastronomen auch nicht völlig aus der Verantwortung entlassen wollte. Diesen Beitrag weiterlesen »