IGF D-2016 Nachlese

Am 9. September 2016 bereits traf sich in Berlin das Internet Governance Forum Deutschland. Da IGF-D in Zukunft eine wichtige Rolle in der gesellschaftlichen Diskussion spielen wird, hier — auch wenn schon etwas Zeit vergangen ist — eine Zusammenfassung der Diskussionen. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „wir müssen reden“ bot den über 85 Teilnehmern in vier Themenblöcken Gelegenheit zur Diskussion aktueller Netzthemen. Als Mitglied des Steering Komitees des IGF-D war ISOC.DE aktiv an der Vorbereitung des Programmes für diesen Tag beteiligt. Innerhalb des zweiten Panels hatte der ISOC.DE Vorstand Hans Peter Dittler Gelegenheit, den aktuellen Stand und die noch notwendigen weiteren Schritte der IANA Oversight Transition aus Sicht von ISOC und der IETF darzustellen.

Der erste Block setzte sich mit der Verantwortung der Entwickler von Protokollen und Standards für die von ihnen geschaffenen Systeme auseinander. Die zentrale Frage war dabei, wie schon beim Entwurf von Protokollen und Software auf die Einhaltung ethischer Grundsätze geachtet werden kann und ob dies notwendig ist. Als ein Ergebnis der Diskussion wurde festgehalten, dass sich die Werte wie zum Beispiel Schutz der Privatsphäre, die allgemein in der Gesellschaft gelten, auch in den von ihr geschaffenen Systemen wiederfinden lassen sollten. Wenn dies schon beim Entwurf der Protokolle berücksichtigt wird, werden die mit diesen Standards konstruierten Maschinen und Geräte sich auch später danach verhalten.

Der zweite Abschnitt beschäftigte sich mit dem aktuellen Stand der IANA Transition. Seit im Frühjahr 2014 die amerikanische Regierung angekündigt hat, dass sie sich aus der Aufsichtsrolle der IANA-Funktionen (Registrierung von TLDs, zentral Vergabe von Netznummern und Registrierung von Protokollparametern) zurückziehen und an die „Multi-Stakeholder Commnity“ übergeben will, ist ein Prozess zur Stärkung und Definition der Verantwortlichkeit von ICANN und die damit verbundene Neuorganisation der IANA im Gange. Der Prozess soll mit dem Auslaufen des Vertrages Ende September 2016 seinen Abschluss finden. Das mit Vertretern von ICANN, der technischen und der politischen Community besetzte Panel hat über den aktuellen Stand, den schmerzlich langen und komplizierten Weg zur Einigung und den Grad der Erfüllung der Anforderungen der US-Regierung und der beteiligten Parteien berichtet. Die Runde endete mit einer gemeinsamen hoffnungsvollen Ausblick auf einen positiven Ausgang, wobei allerdings immer noch die Gefahr einer politischen Intervention im Rahmen des US-Wahlkampfes besteht.

Das nächste Panel beschäftigte sich mit der Frage, ob mit Hilfe von Exportkontrollen die Verbreitung von Überwachungssoftware verhindert werden kann. Ein einführender Vortrag zeigte an Hand von Beispielen und Daten, dass mit Systemen aus deutscher und europäischer Produktion weltweit Datennetze überwacht und ausgeforscht werden. Neben anderen Aspekten wurde die Frage der Menschenrechte in der digitalen Gesellschaft im Zusammenhang mit dem nur unzureichend kontrollierten Export von zur Überwachung dienender Software thematisiert. Die jüngste Version des Wassenaar-Abkommens zur Exportkontrolle von Gütern mit militärischem und zivilem Verwendungszweck („Dual Use“) wurde erwähnt und aufgezeigt, dass die geplante Reform der EU-Verordnung noch für mancherlei Zündstoff in den Mitgliedsländern sorgen wird. Von Seiten der Regierung wurde auf die laufende Verschärfung der Exportregeln hingewiesen, bei der zum Beispiel im letzten Jahr Überwachungszentren in die Liste der „genehmigungspflichtigen Güter“ aufgenommen wurde.

Der letzte Themenblock befasste sich mit der Politik Deutschlands zum Thema Verschlüsselung. In letzter Zeit wurden immer wieder gegensätzliche Signale aus der Regierung sichtbar. Zum einen soll keinesfalls eine Schwächung der Kryptographie zum Beispiel durch Hintertüren zugelassen werden, da damit der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet würde. Von anderer Stelle wird aber eine „Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich“ (Zitis) angekündigt, deren Hauptaufgabe die Entwicklung von Entschlüsselungstechnik sein soll. Die Vertreter auf dem Podium waren sich allerdings einig, dass bisher zu Zitis noch keine ausreichenden Details bekannt sind, um eine Einschätzung abzugeben. Der Kreis war sich einig, dass starke Verschlüsselung zur Sicherung der Kommunikation und Sicherstellung der Privatsphäre notwendig ist, sieht aber gleichzeitig das Dilemma der Sicherheitsbehörden, die damit von einer Überwachung weitestgehend ausgeschlossen werden. In der Diskussion wurde besonders im Zusammenhang mit dem Aufkommen von IoT und Industrie 4.0 auf die Notwendigkeit für den Aufbau von professionelleren Infrastrukturen für Verschlüsselung inklusive Trustcenter hingewiesen.

Die Veranstaltung schloss dann mit einer Runde von Statements, die den Tag und das am Vortag stattgefundene Jugend-IGF noch einmal zusammenfassen und als Statements aus deutscher Sicht in das UN-IGF im Dezember eingebracht werden sollen. Die vorgeschlagenen zusammenfassenden Texte können unter http://www.intgovforum-deutschland.org/feedback-messages-from-berlin.html eingesehen werden.

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